dtv Verlag* | Gebundene Ausgabe | 376 Seiten | 22,00 € | Amazon* und im örtlichen Buchhandel
INHALT:
Juli wächst in einer Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie ist Klassenbeste. Doch in der Kleinstadtvilla herrscht das Grauen. Der Vater drillt die Kinder auf Leistung, prügelt sie und seine Frau. Juli wird älter, fordert ein Ende der Gewalt, deren Realität von der Mutter vehement abgestritten wird. Einzig ihre Geschwister und eine Maus geben Halt. Doch wie kann man sich befreien, wenn man weder den Eltern noch den eigenen Erinnerungen traut? Die Befreiung gerät zum Feldzug – gegen die Eltern und das eigene Ich.
MEINUNG:
Um Liebe ist gewaltig bin einfach nicht drumherum gekommen, da es momentan in alle Munde ist und hochgelobt wird. Der Roman ist das Debüt von Claudia Schumacher. Auch wenn es vielleicht nicht die ideale Sommerlektüre zu sein schien, musste ich hier sofort los lesen.
Juli wächst mit drei Geschwistern in einem kleinen Ort in Süddeutschland auf (meine Vermutung). Beide Eltern sind Anwälte und sehr angesehen. Doch hinter der idyllisch anmutenden Familienfassade sieht es anders aus, denn der Vater verprügelt sie, ihre Mutter und ihre jüngeren Bruder. Es bleibt nicht nur bei körperlicher Gewalt, sondern es kommt auch emotional dazu, denn der Vater drillt alle auf Leistung und wenn diese nicht erbracht wird, macht er dies auch mit Worten deutlich. Die Mutter will sich den Umstand nicht eingestehen und schützt Juli und ihre Geschwister auch nicht. Es kommt zu dem Punkt, dass Juli sich aus dieser Familie befreien muss und ihren eigen Weg finden muss.
Juli verfolgen wir über drei Jahrzehnte, was auch der Einteilung des Buches entspricht. Der erste Teil beginnt damit, das Juli in einer psychiatrischen Einrichtung ist wegen Selbstmordverdacht bzw. – versuch. Dort bleibt sie nicht lange und kehr dann wieder nach Hause zurück. Trotz aller Schrecklichkeit, was in dieser Familie vor sich geht, ist der Ton locker, was vor allem an Juli liegt. Sie sieht vieles sehr zynisch und nimmt auch kein Blatt vor den Mund. Ihre Art macht es leichter, die Geschichte zu lesen, denn dieses ist wirklich brutal und verstörend. Die Autorin beschönigt nichts. Es ist auch absolut klar, dass so etwas in so viele Haushalten auf der Welt genau so passiert. Besonders der erste Teil gibt tiefe Einblicke, was Juli Zuhause ertragen muss. Das Schlimme ist, dass sie sich nicht davon befreien kann, wie es z.B. ihre ältere Schwester geschafft hat, aber dieser ist die Anerkennung des Vaters auch schlichtweg egal, doch Juli ist das wichtig. Die Beziehung zum Vater ist trotz der Gewalt immer sehr innig gewesen. Der Vater hält große Stücke auf sie, die sehr gut in Mathe ist. Es ist ein verhängnisvoller Teufelskreislauf, aus dem sich Juli aber dann zunächst dennoch befreit und nach Berlin zum Studieren geht.
Im zweiten Teil ist Juli in Berlin und studiert dort Mathematik. Nebenbei ist sie eine sehr erfolgreiche internationale Gamerin. Zunächst scheint sie ihr Leben irgendwie in den Griff zu haben. Sie verliebt sich in Alex, eine Engländerin. Der Kontakt zur Familie ist beschränkt, aber vorhanden. Dennoch kämpf Juli mit ihren inneren Dämonen und neigt zu hitzigen Verhalten, welches ihr eines Tages zum Verhängnis wird. Ich fand es erschreckend, dass sie sich rein örtlich und auch wirtschaftlich von ihren Eltern distanzieren konnte, aber emotional ist unfassbar schwer sich zu befreien für sie. Das gilt auch für die ganzen Verhaltensweisen und Konditionierungen, die ihr Vater ihr eingetrichtert hat und sie (un)bewusst angenommen hat. Es fällt ihr unfassbar schwer im Leben Fuß zu fassen und das wirklich Traurige daran, dass sie ihre Kindheit so stark geprägt hat. Als außenstende Person kann man immer leicht sagen, dass man einfach fliehen sollte, aber vor seinem Inneren kann man nicht fliehen. Sie versucht ihre Probleme auch mit Drogen und Alkohol zu bekämpfen.
Im dritten Teil wechselt die Erzählperspektive weg von der Ich-Erzählerin und erzählt einen Abschnitt aus dem Leben der erwachsenen Juli. Zum Inhalt möchte ich nicht mehr sagen. Ich fand diese Abschnitt und die Seite, die von Juli gezeigt wird, sehr befremdlich, aber alles in allem passte dieser Abschnitt genau hier rein und spiegelt ebenfalls die gleichen Aspekte wieder: Der Kampf um ein selbstbestimmtes Leben, in dem Juli, der Mensch sein kann, der sie sein möchte und in dem sie lernt sich selbst zu lieben.
FAZIT:
In Liebe ist gewaltig, was für ein unfassbar guter Titel, denn er ist so vielschichtig deutbar, begleiten wir Juli, die aus einem gewalttätigen Elternhaus kommt und ihrem Kampf sich daraus zu befreien. In kraftvoller, teil ironischer Sprache nimmt uns Claudia Schumacher mit in ihre Debüt, welches mich noch lange nicht los lassen wird.
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar freundlicherweise vom dtv Verlag* von NetGalley* zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür! Meine Meinung wurde dadurch nicht beeinflusst.
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Ein Kommentar zu „Highlight „Liebe ist gewaltig“ – Claudia Schumacher“