Kiepenheuer & Witsch Verlag* | Gebundene Ausgabe | 416 Seiten | 24,00 € | Amazon* und im örtlichen Buchhandel
INHALT:
Album, Promotion, Tour. Beinahe zwanzig Jahre lang bestimmt die Dynamik des Musikbetriebs Judith Holofernes‘ Leben. In dieser Zeit wird sie, mit Wir sind Helden und ihrem Soloprojekt, zu einer der bekanntesten und prägendsten Sängerinnen ihrer Generation. In ihrem autobiografischen Buch blickt sie jetzt zurück auf die Zeit nach den Helden, auf Krisen, Träume und eine wegweisende Entscheidung – und zeigt sich dabei als feinsinnige Erzählerin.
Mit großer Klarheit und Zartheit und dem ihr eigenen Witz schreibt Holofernes über Fluch und Segen des frühen Erfolgs der Helden; über die Vereinbarkeit von Familie und Frontfrausein; über die öffentliche Wahrnehmung des eigenen Körpers, das Aufwachsen mit ihrer lesbischen Mutter in Freiburg; über die tiefen Einschnitte in ihrem Leben, die Zweifel, den Schmerz. Immer wieder geht es auch um die Musikbranche, um das Verhältnis zu ihren Fans, eigenartige Konzerte im Hellen, aber auch um die starren Mechanismen des Betriebs und den Sexismus.
MEINUNG:
In meiner Jugendzeit war ich sehr großer Fan von der Band Wir sind Helden, deren Frontfrau Judith Holofernes war. Irgendwann hat die Band einfach nicht mehr existiert. Natürlich bin ich irgendwann meiner größten Konzert- und Musikzeit entwachsen, aber warum es die Band nicht mehr gab, wusste ich nicht so wirklich. Von Die Träume anderer Leute habe ich mir erhofft, endlich Antworten darauf zu finden. Ich war auch sofort verliebt (und bin es noch) in das wunderschöne Cover. Ich bin froh, dass sich der Verlag für dieses stilisierte Cover entschieden hat und nicht einfach das reale Gesicht von Judith genommen hat.
Natürlich gibt es in Die Träume anderer Leute, was ich schon als eine Art Biographie bezeichnen würde, nicht nur darauf Antworten. Das Buch beginnt genau am Scheideweg zwischen dem Ende von Wir sind Helden und dem Neubeginn. In Rückblenden erfährt auch ein bisschen was über Judiths Kindheit und Jugend, aber im Wesentlichen beschränkt es sich auf einen konkreten Zeitabschnitt. Das Ende der Helde-Zeit war vermutlich einfach notwendig. Ich konnte es nachvollziehen. Judith Holofernes hat während dieser Zeit den Helden-Drummer Pola Roy geheiratet und mit ihm zwei Kinder bekommen, die dann mit auf Tour gekommen sind. Der Spagat zwischen Popstar sein und Eltern sein wird irgendwann zu Zerreißprobe für alle. Auch wenn es mit den Helden zu Ende gegangen ist, wird diese Band und damit auch Judith als Frontsängerin für mich immer prägend für meine Jugendzeit sein. Die Lieder kann ich bis heute mitsingen und das geht sicher einen ganzen Generation so.
Was Judith nach Wir sind Helden gemacht hat, habe ich nicht weiter verfolgt und das ging wohl nicht nur mir so, denn in dem Buch erfahren wir, wie schwer es doch war eine Solo-Karriere anzustoßen. Judith Holofernes erzählt in dem ganzen Buch sehr ehrlich und schonungslos, wie das Leben im Show-Business ist und wie sie selbst damit zu kämpfen hatte den Erwartungen an sie gerecht zu werden und das aber eigentlich nicht zu wollen. Natürlich ist Musik Kunst, aber dahinter steckt eine ganze Maschinerie, die damit auch Geld verdienen möchte, nicht zu letzt Judith selbst. Ich fand erschreckend, wie viel Raubbau sie an ihrer Gesundheit betreibt, damit Konzerte statt finden können, aber auch um eine gewissen Schönheitsideal zu entsprechen. Sie erzählt sehr ehrlich, wie sie immer wieder um jedes einzelne Kilo kämpft und teilweise auch in die Bulimie abrutscht. Ebenso beschreibt sie, wie sie nach der Helden-Karriere vermarktungstechnisch in die Mutter-Rolle gedrängt wird, die aber andererseits als total unattraktiv in der Musik-Branche bewertet wird, zumindest ab ein paar Monaten nach der Geburt. Bei allen Themen ist der Erzählstil aber unheimlich witzig und humorvoll und ich habe auch viel gelacht. Ich mochte, wie ehrlich sie auch ihre Gefühle in vielen Situationen sehr ehrlich beschrieben hat. Durch die Offenbarung ihrer eigenen Verletzlichkeit fühlte ich mich ihr in Situationen, die ich auch kenne, ihr nahe.
Spannend ist zu verfolgen, wie nach dem Ende der Helden-Zeit ihren Weg zu finden versucht die Kunst/ Musik zu machen, die ihr wirklich etwas bedeutet. Dabei kollidiert sie immer wieder mit dem Markt und natürlich auch Fakt, dass sie davon auch leben muss. Mir gefiel wie sie es zunächst mit der Solo-Karriere probiert, aber auch hier schon andere Wege gehen möchte und dennoch aber immer wieder mit der Helden-Vergangenheit konfrontiert ist. Einige Personen kennen nicht mal ihren Namen und so ist es nicht leicht Bekanntheit zu erlangen. Am Ende allerdings findet sie ihren Weg.
FAZIT:
Man muss nicht unbedingt Fan von der Band Wir sind Helden gewesen sein, um Die Träume anderer Leute lesen. Es enthält so viel mehr als das. Es ist ein sehr persönlicher, ehrlicher und vor allem nahbarer Blick in das Leben als Künstlerin und wie man einen selbstbestimmten Weg findet, dass zu machen, was einem wirklich etwas bedeutet. Ich würde mich freuen noch mehr von Judith Holofernes lesen zu können, denn sie kann wirklich gut schreiben und ist sehr kluge Beobachterin des Lebens.
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar freundlicherweise von KiWi Verlag* zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür! Meine Meinung wurde dadurch nicht beeinflusst.
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